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BYD auf Eroberungskurs: Wie Chinas Elektroauto-Gigant die Weltmärkte aufmischt
Das beschauliche Malta – bekannt für mediterranes Flair, Sonnenurlaube und antike Tempel – mag als Nische im weltweiten Autogeschäft erscheinen. Doch für BYD, den chinesischen Elektroauto-Riesen, ist auch der kleinste Markt ein Schlachtfeld. Letzten Herbst rollte der kompakte Crossover Atto 3 in Malta an und bietet mit beheizbaren Sitzen aus veganem Leder und einem um 360 Grad drehbaren Touchscreen mehr als bloßen Stil – ein Statement, das selbst in Europas kleinstem Mitgliedsstaat Wellen schlägt.
Warum Malta? Weil BYD eines besser versteht als viele traditionelle Autobauer: Masse kann eine Waffe sein. „Sie können Märkte wie Malta als ‚Hühnerbrühe-Märkte‘ beschreiben“, sagt Yu Zhang von der Beratungsfirma AutoForesight. „Aber addieren Sie die Hühnerbrühen zusammen, und sie ergeben über zehn Millionen Autos.“ Und genau das ist BYDs Strategie – der Eintritt in Schwellenländer ohne eigene Automobilindustrie. Die Zahlen sprechen für sich: In nur drei Jahren hat BYD den Absatz in China auf drei Millionen Fahrzeuge verfünfzehnfacht und exportiert mittlerweile in rund 95 Länder. Das Expansionstempo und die aggressive Preispolitik lösen weltweit protektionistische Maßnahmen aus, während BYD mit einem selbstbewussten Lächeln weitermacht.
BYD und die Kunst des Preisbrechens
BYD – „Build Your Dreams“ – wurde 1995 von Wang Chuanfu gegründet, einem leidenschaftlichen Batterie-Wissenschaftler, der bereits damals eine kostengünstige Lösung für das teure japanische Batterie-Oligopol fand. Heute, zwei Jahrzehnte später, produziert das Unternehmen nicht nur kostengünstige Batterien, sondern setzt durch vertikale Integration von Halbleitern bis zu Batteriematerialien den neuen globalen Preisstandard. Diese Effizienz erlaubt es BYD, Elektrofahrzeuge anzubieten, die rund 25 % weniger kosten als die Konkurrenzprodukte – ein Vorteil, der so massiv ist, dass sogar Tesla-Chef Elon Musk BYD nicht länger ignorieren kann.
In den USA schlägt BYDs Strategie auf politische Widerstände. Präsident Biden verhängte dieses Jahr einen 100%igen Zoll auf chinesische Elektroautos und untersuchte die chinesischen Subventionen. Auch die EU folgte mit einem Zoll von 17 % – und dennoch bleibt BYD unbeeindruckt. Die Expansion in die Türkei und weitere „Sprungbrett-Märkte“ sichert die Marktpräsenz auf dem Kontinent. BYD ist entschlossen, den neuen Marktführer zu spielen – koste es, was es wolle.
Wie BYD Brasilien und Mexiko erobert
Eine der wohl faszinierendsten Entwicklungen im BYD-Kapitel ist die Expansion nach Brasilien und Mexiko, zwei Märkte mit einer bedeutenden Automobilkultur und wachsender Nachfrage nach erschwinglicher Elektromobilität. In Brasilien zielt BYD nicht nur auf den Verkauf von Fahrzeugen, sondern auf das ganze Paket: Produktionsstätten, Jobs und Partnerschaften mit der Regierung. Mit dem Versprechen, Arbeitsplätze und eine nachhaltige Infrastruktur zu schaffen, gewann BYD großzügige Steueranreize und eröffnete eine Produktionsstätte im Amazonas, die den Bau von Solar- und Fahrzeugkomponenten ermöglicht.
In Mexiko setzt BYD auf subtile Markteinführung: von elektrischen Arbeitstrucks für Bimbo und Cemex bis hin zu Showrooms in Mexiko-Stadt und Guadalajara, die die Neuankömmlinge im Passagiersegment präsentieren. Im Frühjahr 2023 stellte BYD mit dem Shark in Mexiko seinen ersten Pickup außerhalb Chinas vor und brachte damit ein weiteres Mal den etablierten Markt in Wallung. Der Shark kombiniert Hybrid-Technologie mit einem erschwinglichen Preis und bewirbt sich damit um eine Marktlücke, die weder in den USA noch in Asien so radikal bedient wird.
Kulturelle Brücken und die BYD-DNA
BYDs Marketingstrategie hat ein besonderes Talent: Anpassung an die lokale Kultur, bis das Produkt nahezu unsichtbar zur Umgebung wird. In Brasilien greift das Unternehmen zu landestypischen Symbolen wie der Fußball-Ikone Pelé, um den „King“ zu vermarkten – ein Hybridmodell, das an die Toyota Corolla anknüpfen soll. In Mexiko lädt ein Promo-Event mit Mariachi-Musik und Streetfood zum ersten Pickup-Launch. Diese Chameleon-Qualität von BYD scheint ein wichtiger Schlüssel zum Markterfolg zu sein.
Und dennoch schwebt die Geopolitik wie ein dunkler Schatten über den Expansionsplänen des Unternehmens. Zwar äußerte sich BYD bislang abwehrend gegenüber den USA und versicherte, dort nicht auf den Markt streben zu wollen. Doch Experten bleiben skeptisch, ob dies tatsächlich die langfristige Strategie ist.
Fazit: Ein Warnsignal für die Automobilbranche
Während die globalen Hersteller sich schwer tun, erschwingliche Elektroautos zu produzieren, scheint BYD die Spielregeln mit erschreckender Konsequenz zu ändern. Traditionelle Autobauer müssen nun zusehen, wie BYD mit dem Vorteil der Effizienz und niedriger Produktionskosten an ihnen vorbeizieht. Die Frage ist nicht, ob BYD eine Gefahr für die Autoindustrie darstellt – sondern wie lange die etablierten Marken dem Konkurrenzdruck standhalten können.
Die Bühne ist bereitet, und BYD hat begonnen, das Skript neu zu schreiben. Ob die westliche Autoindustrie bereit ist für diesen Paradigmenwechsel, wird sich zeigen.