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Corona-Virus: Diese Schadenersatz-Ansprüche habt ihr!

Dr. Heinz Bohlen, Rechtsanwalt, zeigt in diesem Artikel, welche Rechte ihr habt, wenn euer Betrieb von den Behörden geschlossen wird – und wie ihr entschädigt werden könnt.

Möglichkeiten für Entschädigungen nach dem IfSG (Infektionsschutzgesetz)

Zum jetzigen Zeitpunkt beschäftigen sich viele mit den arbeitsrechtlichen Problemen, die die Corona-Krise mit sich bringen. Wie sieht es aber mit den Einnahmeverlusten vieler Betriebsinhaber aus? Selbständige und Betriebsinhaber machen sich zu Recht Sorgen, dass ihnen der Geschäftsbetrieb aus infektionsschutzrechtlichen Gründen untersagt wird und die Einnahmen aus diesem Grund teilweise oder ganz wegfallen, während die Kosten, wenn auch im Lohnbereich über die Sonderregelungen zur Kurzarbeit abgemildert, weiterlaufen. Insofern fragt sich jeder Selbständige, ob es für diesen Fall nicht irgendeine Kompensation gibt.

1.

Als Erstes denkt man immer an eine mögliche Versicherung. In der Regel ist aber das Betriebsschließungsrisiko aus infektionsschutzrechtlichen Gründen nicht von den landläufig abgeschlossenen Versicherungen gedeckt.

2.

Als zweiter Gedanke kommt einem die Hilfe durch den Staat in den Sinn. Schließlich ist es der Staat, der den Geschäftsbetrieb untersagt hat.

Der Ruf nach einer Entschädigung vom Staat dürfte in der Tat der richtige Weg sein. Denn das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sieht in § 56 einen Entschädigungsanspruch für denjenigen vor, der aufgrund des Infektionsschutzgesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder Träger von Krankheitserregern Verboten bzw. Einschränkungen in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit unterliegt oder unterworfen wird.

Diese Regelung scheint sich zunächst nur auf Arbeitnehmer zu beziehen. Etwas versteckt in 56 Abs. 3 S. 4 IfSG ist allerdings bestimmt, dass die vorgehenden Regelungen nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Selbständige gelten. Man muss also feststellen: Selbständige haben einen Anspruch auf Entschädigung, wenn der Geschäfts- betrieb aus infektionsschutzrechtlichen Gründen untersagt wird.

Dieser Anspruch hat in der Öffentlichkeit und in der Berichterstattung bis jetzt so gut wie keine Beachtung gefunden. Wenn die zuständigen Minister auf die Probleme von Betrieben angesprochen werden, weisen diese immer nur auf die erweiterten Möglichkeiten des Kurzarbeitergeldes und etwaige Steuerhilfen und Liquiditätsüberbrückungen durch die KfW hin. Der konkrete Anspruch gemäß § 56 IfSG wird demgegenüber nicht erwähnt. Über die Gründe kann man sicher hinreichend spekulieren.

3.

Für den Anspruch eines Selbständigen aus § 56 IfSG kann ich Ihnen folgende Hinweise geben:

  • Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch ist das Verbot der Erwerbstätigkeit oder die Anordnung von Quarantäne aus infektionsschutzrechtlichen Gründen. Die Abläufe, wie in solchen Fällen vorzugehen ist, also z. B. Antragstellung etc., bestimmt die zuständige Behörde. Dies sind in Berlin die jeweiligen Gesundheitsämter. Man sollte sich also mit einem Antrag an das Gesundheitsamt des jeweils zuständigen Bezirksamtes wenden.
  • Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Verdienstausfall des Selbständigen. Grundlage dafür ist der Steuerbescheid. Es besteht Anspruch auf 1/12 des Einkommens aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit für jeden Monat, in dem der Geschäftsbetrieb untersagt
  • Neben dem Verdienstausfall können Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme ruht Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht ge- deckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang

4.

Durch die inzwischen verfügten Einschränkungen hat sich für einige Selbständige, freie Mitarbeiter und Freelancer das Problem ergeben, dass sie zwar keinem Tätigkeitsverbot unterliegen, sie ihre Tätigkeit aber faktisch nicht mehr ausüben können, da die Betriebsstätten, in denen sie ihre Arbeit verrichten, geschlossen sind oder werden. Als Beispiel kann man Sporttrainer anführen, die ihre Arbeit deswegen nicht mehr ausführen können, weil die Sportstätten geschlossen sind oder werden. In diesen und vergleichbaren Fällen stellt sich die Frage, ob die Schließung von Betriebsstätten für Selbständige, freie Mitarbeiter und Freelancer die Entschädigungspflicht nach § 56 IfSG auslöst.

Es kann sicher argumentiert werden, dass ein Tätigkeitsverbot nicht besteht und diejenigen Personen, die betroffen sind, grundsätzlich die Möglichkeit haben, ihrer Tätigkeit weiter nach- zugehen. Diese Argumentation verfängt meines Erachtens aber nicht, da die Schließung von Betriebsstätten für solche Freiberufler faktisch einem Tätigkeitsverbot gleichkommt.

Insofern muss man auch in solchen Fällen in Erwägung ziehen, die notwendigen Anträge nach 56 IfSG zu stellen und versuchen, etwaige Ansprüche durchzusetzen.

5.

Das Gesetz spricht in § 56 IfSG davon, dass der Entschädigungsanspruch „Selbständigen“ zu- steht. Es stellt sich daher die Frage, was unter diesem Begriff zu verstehen ist und welche Geschäftsbetriebe von dieser Regelung erfasst werden. Es gibt hierzu aus der so gut wie nicht vorhandenen veröffentlichten Rechtsprechung zu dem Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG keine verlässlichen Hinweise. Es dürften zunächst alle Freiberufler wie Ärzte, Apotheker, Steuerberater, Rechtsanwälte etc. sowie Handwerker, Hoteliers etc., wenn sie nicht als Kapitalgesellschaft (GmbH etc.) organisiert sind, sowie insgesamt Einzelfirmen erfasst werden. Ob unter den Begriff „Selbständige“ auch Unternehmen wie Kapitalgesellschaften fallen, muss noch verifiziert werden. Wenn man sich den Gesetzestext und die verfügbaren Antragsformulare an- sieht, sind hier Zweifel angebracht, obwohl es eigentlich nicht darauf ankommen sollte, in welcher Rechtsform die selbständige Tätigkeit ausgeführt wird.

Tätigkeitsverbot für erkrankte Mitarbeiter

Mitarbeiter, die sich infiziert haben, sind i.d.R. nicht nur erkrankt, vielmehr dürften sie auch ei- nem Tätigkeitsverbot unterliegen. Auch hier gibt das Infektionsschutzgesetz ein Antwort auf die Frage: Was passiert, wenn für einen erkrankten Mitarbeiter zusammen mit der Krankschreibung nach § 31 Abs. 2 IfSG ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet wird?

1.

In diesem Fall konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers in Folge des Tätigkeitsverbotes nach § 56 Abs. 1 IfSG. Danach wird der Arbeitnehmer, der mit einem Verbot der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit belegt wird, vom Staat in Höhe seines Verdienstausfalls für die Dauer von 6 Wochen entschädigt. In diesem Fall tritt der Arbeitgeber mit seiner Entgeltfortzahlung gemäß § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG in Vorleistung. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber von der zuständigen Behörde erstattet. Die Erstattung erfolgt aber nur auf Antrag des Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Pflicht nicht in Vorleistung getreten, kann auch der Arbeitnehmer diesen Antrag stellen.

2.

Die zuvor näher skizzierte Regelung gilt entsprechend, wenn nur ein Verdacht auf eine Ansteckung besteht, die Gesundheitsbehörde aber trotzdem ein behördliches Beschäftigungsverbot anordnet.

3.

In gleicher Weise zu behandeln sind die Fälle der Quarantäne. Hier wird in Folge der Quarantäne ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. In diesem Fall besteht der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG. Bei den unter Quarantäne stehenden Arbeitnehmern ist keine Erkrankung gegeben. Insofern besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Nur wenn der Krankheitsfall eintritt, entsteht der Anspruch aus Entgeltfortzahlung ab dem Zeitpunkt der Diagnose/Krankschreibung.

Gehälter nach Betriebsschließung

Als weitere Frage stellt sich die Folgende: Besteht bei einer behördlichen Betriebsschließung der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer weiter?

Wird ein Betrieb geschlossen, weil im Betrieb ein Infektionsrisiko besteht, kommt die sog. „Betriebsrisikolehre“ zur Anwendung. Nach der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber grundsätzlich das Betriebsrisiko in Folge behördlicher Maßnahmen – also der Betriebsschließung –, wenn dieses Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt gewesen war. Es kommt also auf die Eigenart des Betriebes an. Nicht zum Betriebsrisiko gehören grundsätzlich allgemeine Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge.

Zum jetzigen Zeitpunkt meine ich, dass es vertretbar ist, eine Vergütungsfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei einer Anordnung der Betriebsschließung wegen des Corona-Virus abzulehnen. Ich gehe davon aus, dass bei der jetzigen Pandemie der Grund für die Betriebsschließung in diesem Fall regelmäßig nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers liegt und auch nicht vom allgemeinen Betriebsrisiko erfasst ist (vgl. § 615 S. 3 BGB). Damit wäre dann verbunden, dass § 56 IfSG einschlägig ist und dem Arbeitgeber Entschädigungsansprüche nach dieser Vorschrift zustehen.

Man darf aber nicht verschweigen, dass es Stimmen in der Literatur gibt, die dies anders sehen. Es wird argumentiert, dass bei vielen Betrieben, bei denen notwendigerweise ein hoher und ständiger Personenkontakt besteht, wie z. B. Veranstaltungsunternehmen, Messen, Kaufhäusern, Kitas, Schulen etc., die besondere Eigenart vorliegt, dass Kontakt zu Menschen mit infektiösen Erkrankungen besteht. Eigenart dieser Betriebe sei vor allem dann auch, dass eigene Mitarbeiter mit Menschen in Kontakt kommen, sich infizieren oder der Verdacht einer Infektion besteht und daher Betriebsschließungen ausgesprochen werden können. Nach dieser Ansicht müsste bei fast allen Betrieben das sich aus der Corona-Krise ergebende Risiko zur Eigenart gehören, da der Kontakt zu Kunden in den meisten Betrieben die Regel sein dürfte.

Ich neige aber zu der zuerst dargestellten Ansicht, so dass ich auch hier dazu rate, in einem solchen Fall unbedingt die entsprechenden Anträge an die zuständigen Gesundheitsämter zu stellen.

Hinweis

Wenn es darum geht, Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz zu verlangen, ist es ausgesprochen wichtig, dass, wenn sich das Tätigkeitsverbot nicht aus einer Rechtsverordnung ergibt, Anordnungen der zuständigen Behörde zur Betriebsschließung bzw. zu Tätigkeitsverboten für Arbeitnehmer herbeigeführt werden. Es reicht nicht aus, dass  ein Arzt  dazu rät,  14 Tage zu Hause zu bleiben. Um Entschädigungsleistungen zu erhalten, ist es unbedingt notwendig, behördliche Entscheidungen herbeizuführen.

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Chefredakteur des GEWINNERmagazins, PR-Experte und Gesicht hinter den Content und Blog-Strategien von internationalen Konzernen und erfolgreichen Unternehmern aus ganz Deutschland. Mehr unter rubenschaefer.de

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