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Deutsches Start-up-Funding steigt – doch frühe Finanzierungsrunden gehen zurück


Die Finanzierung für deutsche Start-ups stieg 2024 um eine Milliarde Euro auf insgesamt sieben Milliarden Euro. Dennoch bleibt das Niveau weit unter dem Rekordhoch von 2021, als mehr als 17 Milliarden Euro in den Markt flossen. Während die Gesamtinvestitionen zulegten, ging die Anzahl der Finanzierungsrunden um 12 Prozent zurück – ein Zeichen dafür, dass größere Deals dominieren und weniger Start-ups in frühen Phasen Kapital erhalten.
„Die meisten Finanzierungsrunden über 20 oder 30 Millionen Euro werden von ausländischen Investoren angeführt“, erklärt Thomas Prüver, Autor des EY Start-up Barometers für Deutschland. Laut Prüver stammen über 90 Prozent dieser Großinvestitionen aus dem Ausland. Besonders der B2C-Sektor hat an Attraktivität verloren. Noch 2021 floss ein Großteil der Gelder in Quick-Commerce- und E-Commerce-Start-ups – Geschäftsmodelle, die sich im Nachhinein als weniger tragfähig erwiesen haben.
Eric Weber, CEO des Leipziger Inkubators SpinLab, sieht die Zeiten vorbei, in denen Millionenbeträge allein für überzeugende Pitch-Decks flossen. „Ohne nachweisbare Markttraktion gibt es heute kein Geld mehr“, so Weber. Stattdessen hat sich der Fokus der Investoren in Richtung B2B-Start-ups verschoben, insbesondere in den Bereichen Industrie und Fertigung, wo Deutschland traditionell stark ist. „Software mag die Welt erobern, aber Hardware hält sie am Laufen – und genau da hat Deutschland seine Stärken“, ergänzt er.
Diese Entwicklung hat Bayern als Investitionsstandort begünstigt. Dank seiner starken industriellen Basis überholte der Freistaat 2024 erstmals die Hauptstadtregion Berlin beim Gesamtinvestitionsvolumen. Berlin bleibt dennoch ein bedeutender Start-up-Hub mit einem Schwerpunkt auf Konsumenten-orientierten Geschäftsmodellen.
Ein Beispiel für den Erfolg dieser neuen Investmentstrategie ist Isar Aerospace aus Bayern. Das 2018 gegründete Unternehmen entwickelt Trägerraketen für den Transport von Satelliten in niedrige Erdumlaufbahnen. Entscheidend für seinen Erfolg sei Deutschlands Expertise in hochautomatisierter Präzisionsfertigung, sagt Bulent Altan, erster Business Angel von Isar Aerospace und früherer SpaceX-Vizepräsident. „Es ist günstiger, hier als in Silicon Valley oder Los Angeles zu operieren“, so Altan. Die lokale Industriekultur biete zudem langfristige Mitarbeiterbindung, während die US-Branche unter hoher Fluktuation und einer ausgeprägten Burnout-Kultur leide.
Isar Aerospace wurde durch UnternehmerTUM, Münchens führendes Start-up-Lab, gefördert und profitierte vom Netzwerk der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). ESA-Direktorin Géraldine Naja lobt die Zusammenarbeit als Modell für die Verbindung von Start-ups mit etablierten Institutionen. Langfristig müsse Isar Aerospace jedoch finanziell unabhängig werden: „Wie bei Kindern – man unterstützt sie, aber irgendwann müssen sie alleine fliegen.“
Trotz der Erfolge gibt es eine alarmierende Entwicklung: Weniger junge Unternehmen erhalten Seed-Finanzierungen. „Das ist kein gutes Zeichen“, warnt Prüver. Frühe Finanzierungsrunden seien entscheidend für die spätere Skalierung. Volker Hofmann, Geschäftsführer von Humboldt-Innovation, sieht darin ein strukturelles Problem: „Deutschland hat in den letzten zwei Jahrzehnten 60 Prozent seiner Gründer verloren. Wenn wir das nicht umkehren, ist es egal, wie viel Kapital vorhanden ist – wir werden nicht genug Unternehmer haben, die es nutzen.“
Hofmann macht übermäßige Bürokratie und eine risikoscheue Kultur dafür verantwortlich. „In Asien und den USA ist Unternehmertum ein erstrebenswertes Ziel. In Deutschland gibt es zu viele Hürden – juristische, finanzielle und kulturelle.“ Dennoch sieht Helmut Schönenberger, Mitgründer von UnternehmerTUM, Fortschritte: „Vor 20 Jahren mussten wir Flyer vor der Mensa verteilen, um Leute für einen Businessplan-Kurs zu gewinnen. Heute kommen Milliardäre und internationale Investoren zu uns.“
UnternehmerTUM wurde 2025 zum zweiten Mal in Folge von der Financial Times und Statista als führender Start-up-Hub Europas ausgezeichnet. Hofmann betont jedoch, dass Deutschland seine Innovationskraft nur dann voll ausschöpfen könne, wenn Start-up-Ökosysteme stärker vernetzt werden: „Unsere Regionen arbeiten zu isoliert. Es geht nicht darum, welche Stadt besser ist – sondern darum, Deutschland und Europa als Ganzes zu stärken.“

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