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EU wechselt Gang: Milliarden für Verteidigung – auf Kosten der Regionalentwicklung?

In einer Zeit, in der Europa verstärkt unter Druck steht, seine Verteidigungsfähigkeit zu stärken, greift die EU zu einem kontroversen Mittel: Die Umschichtung der sogenannten Kohäsionsfonds. Bisher für wirtschaftliche Gleichheit vorgesehen, sollen diese Milliardenbeträge künftig zur Sicherung der europäischen Verteidigungsindustrie beitragen – eine Maßnahme, die Kritik und Zustimmung gleichermaßen erntet.

Die neue Priorität: Verteidigung statt regionaler Entwicklung?

Fast 400 Milliarden Euro umfassen die Kohäsionsfonds für den Zeitraum von 2021 bis 2027. Diese Gelder sollen traditionell die wirtschaftliche Kluft zwischen ärmeren und reicheren Mitgliedsstaaten verringern. Doch nur etwa 5 % davon wurden bisher abgerufen, und in Anbetracht der drängenden Sicherheitslage und einer potenziellen Trump-Administration in den USA plant die EU eine Neubewertung ihrer Prioritäten.

Mitglieder wie Polen, Italien und Spanien, die besonders stark von diesen Fonds profitieren, haben bis dato eher auf die pandemiebedingten „Recovery Funds“ gesetzt. Nun könnte sich jedoch ein Teil dieser Gelder auf Projekte wie die Stärkung der Verteidigungsinfrastruktur, einschließlich Straßen und Brücken für militärische Mobilität, umlenken lassen.

Ein Beispiel: Deutschlands Infrastruktur als militärischer Engpass

Deutschland, strategisch wichtig für die militärische Mobilität in Europa, steht vor massiven infrastrukturellen Herausforderungen. Marode Straßen und Brücken könnten im Ernstfall zum Problem werden. Schon 2022 bezifferte das Bundeswirtschaftsministerium den Sanierungsbedarf auf etwa 165 Milliarden Euro. Nun sollen Gelder aus dem Kohäsionsfonds Deutschland bei der Modernisierung helfen – und zwar nicht nur für Zivilprojekte, sondern auch für solche, die dem militärischen Nutzen dienen.

Dringlichkeit auf Osteuropas Agenda

Besonders die Länder an der östlichen EU-Grenze, darunter Litauen und Polen, begrüßen die Entscheidung der EU-Kommission. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine investieren sie massiv in Verteidigung. Polens Ausgaben von 4,1 % des BIP für das Militär dieses Jahr – das Doppelte des NATO-Ziels – unterstreichen die Dringlichkeit. „Wir müssen in Projekte zur militärischen Mobilität investieren, die teuer sind, aber für die ganze Region von Bedeutung“, so Gintarė Skaistė, Litauens Finanzministerin.

Die neue Flexibilität der EU erlaubt es diesen Ländern, Gelder für ihre Verteidigungsindustrie und militärische Mobilität einzusetzen. Der Kauf von Waffen bleibt zwar tabu, aber die Produktion und Entwicklung von Waffen und Munition könnten gefördert werden – ein Kompromiss, der die wachsende Bedeutung der Verteidigungsfähigkeiten Europas verdeutlicht.

Trump und die Bedrohung des transatlantischen Bündnisses

Die Rückkehr Donald Trumps an die Spitze der US-Politik könnte das transatlantische Bündnis auf eine harte Probe stellen. Trumps Warnung, dass er Russland „freie Hand“ lassen würde, sollte die NATO ihre Verteidigungsausgaben nicht erhöhen, hat Europa wachgerüttelt. Die EU reagiert auf diese Unsicherheit, indem sie die Abhängigkeit von den USA reduziert und eine eigenständige Verteidigungsstrategie entwickelt.

Regionale Bedenken: Ist der Preis zu hoch?

Trotz der Begeisterung einiger Mitgliedsstaaten gibt es auch Bedenken. Regionalpolitiker fürchten, dass die Umleitung der Kohäsionsfonds zu Lasten der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Regionen geht. „In meiner Region gibt es ein Truppenübungsfeld, das an einen Flughafen angeschlossen werden muss“, erläutert Olgierd Geblewicz, Präsident der polnischen Region Westpommern. Sein Appell: Die Entscheidung über den Einsatz der Gelder müsse in den Regionen selbst getroffen werden.

Die Umschichtung ist ein Vorbote für die nächste Haushaltsperiode ab 2028, die laut einem Bericht von Sauli Niinistö, dem ehemaligen Präsidenten Finnlands, noch stärker auf Verteidigung ausgerichtet sein sollte – 20 % des Budgets könnten in Zukunft für Verteidigungsmaßnahmen reserviert werden.

„Wir stehen unter größerem Druck als andere Länder und brauchen mehr militärische Präsenz“, erklärt Jürgen Ligi, Finanzminister Estlands, abschließend.

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