Ratgeber
Fishbein-Modell: Wie Du das Verhalten Deiner Konsumenten verstehst und gezielt beeinflusst
Das Fishbein-Modell ist ein psychologisches Modell, das ursprünglich zur Erklärung von Einstellungen und Verhaltensweisen entwickelt wurde. Es wurde in den 1960er Jahren von den Psychologen Martin Fishbein und Icek Ajzen formuliert und findet nicht nur Anwendung in der Psychologie, sondern auch in der Markt- und Unternehmensforschung. Insbesondere in der Marketingstrategie von Unternehmen ist das Modell von zentraler Bedeutung, da es hilft, die Kaufentscheidungen von Konsumenten zu verstehen und zu beeinflussen. Wir gehen dem Fishbein-Modell auf den Grund und schauen uns die Anwendungsmöglichkeiten im Unternehmenskontext an.

Das Fishbein-Modell basiert auf der Annahme, dass Einstellungen eine zentrale Rolle im Entscheidungsverhalten von Individuen spielen. Eine Einstellung kann dabei als eine kognitive Bewertung eines Objekts oder einer Idee verstanden werden. Diese Einstellung beeinflusst wiederum das Verhalten der Person.
Das Modell unterscheidet zwei Hauptkomponenten:
- Kognitive Komponente: Dies bezieht sich auf die Überzeugungen und Meinungen, die eine Person über ein Objekt oder eine Marke hat. Zum Beispiel könnte ein Konsument glauben, dass ein bestimmtes Auto besonders umweltfreundlich oder leistungsstark ist.
- Affektive Komponente: Diese Komponente umfasst die emotionalen Reaktionen und Gefühle, die eine Person gegenüber einem Objekt oder einer Marke hat. Ein Konsument könnte ein starkes positives Gefühl gegenüber einer bestimmten Marke entwickeln, weil sie beispielsweise ein Gefühl von Luxus oder Status vermittelt.
Das Fishbein-Modell besagt, dass die Einstellung einer Person zu einem Objekt (zum Beispiel einem Produkt oder einer Marke) von zwei Faktoren abhängt:
- Beliefs: Die subjektiven Überzeugungen, die eine Person über ein bestimmtes Objekt hat.
- Evaluation: Die Bewertung dieser Überzeugungen, also die positive oder negative
Die mathematische Formel des Fishbein-Modells
Das Fishbein-Modell kann mathematisch ausgedrückt werden, um die Einstellung zu einem Produkt zu messen. Die grundlegende Formel lautet:
Dabei ist:
- B_i die Überzeugung, dass das Objekt (Produkt) eine bestimmte Eigenschaft hat (zum Beispiel „Das Auto ist umweltfreundlich“).
- E_i die Bewertung dieser Eigenschaft (zum Beispiel „Umweltfreundlich zu sein, ist positiv“).
Die Summe über aller i Eigenschaften eines Produkts ergibt die Gesamtbewertung oder die Gesamt-Einstellung des Konsumenten zu diesem Produkt.
Ein Beispiel: Angenommen, ein Unternehmen verkauft ein Elektroauto, und ein Konsument hat folgende Überzeugungen und Bewertungen:
- Eigenschaft 1: Das Auto ist umweltfreundlich. Der Konsument bewertet diese Eigenschaft positiv mit einem Wert von 7.
- Eigenschaft 2: Das Auto ist teuer. Der Konsument bewertet diese Eigenschaft negativ mit einem Wert von -3.
Die Einstellung des Konsumenten könnte dann durch die Berechnung der gewichteten Werte (B_i * E_i) erfolgen, wobei die Überzeugung und die Bewertung jeweils einen Einfluss auf das Ergebnis haben.
Fishbein-Modell: Anwendung in Unternehmen
Das Fishbein-Modell wird in Unternehmen vor allem im Bereich Marketing und Produktentwicklung eingesetzt. Indem Unternehmen das Konsumentenverhalten und die zugrunde liegenden Einstellungen verstehen, können sie ihre Marketingstrategien gezielt anpassen. Hier sind einige Möglichkeiten, wie Unternehmen das Fishbein-Modell nutzen können:
Zielgerichtete Produktgestaltung
Ein Unternehmen kann das Fishbein-Modell verwenden, um die wichtigsten Merkmale eines Produkts zu identifizieren, die für Konsumenten von Bedeutung sind. Wenn das Unternehmen weiß, welche Eigenschaften eines Produkts von seinen Kunden geschätzt werden (zum Beispiel Umweltfreundlichkeit, Design, Leistung), kann es diese Merkmale in der Produktgestaltung hervorheben. Andererseits kann es negative Eigenschaften, die eine schlechte Bewertung erhalten (zum Beispiel hoher Preis), entweder verbessern oder in der Kommunikation des Produkts angemessen adressieren.
Markenimage und Positionierung
Ein zentraler Bestandteil der Markenführung ist es, ein positives Image aufzubauen. Das Fishbein-Modell hilft dabei, das Markenimage gezielt zu beeinflussen, indem es nicht nur die Überzeugungen (Beliefs) der Konsumenten berücksichtigt, sondern auch, wie diese Überzeugungen bewertet werden. Wenn ein Unternehmen weiß, dass Konsumenten eine bestimmte Eigenschaft wie „Innovation“ positiv bewerten, kann es diese Eigenschaft in seiner Markenkommunikation betonen, um die positive Einstellung zur Marke zu verstärken.
Werbemaßnahmen
Werbemaßnahmen können auf das Fishbein-Modell abgestimmt werden, indem gezielt die kognitiven und affektiven Komponenten der Konsumentenansprache genutzt werden. Eine Werbung könnte beispielsweise darauf abzielen, das Bewusstsein für eine bestimmte Eigenschaft eines Produkts zu erhöhen (kognitive Komponente), gleichzeitig aber auch emotionale Reaktionen ansprechen, um das positive Gefühl gegenüber der Marke zu verstärken (affektive Komponente).
Analyse der Wettbewerbsposition
Ein weiterer Nutzen des Fishbein-Modells liegt in der Analyse der Wettbewerbsposition eines Unternehmens. Indem Unternehmen die Einstellungen ihrer Kunden zu Wettbewerbsprodukten untersuchen, können sie herausfinden, wo sie im Vergleich zur Konkurrenz stehen. Dies hilft nicht nur, die Stärken des eigenen Produkts zu erkennen, sondern auch, Schwächen im Vergleich zu Mitbewerbern zu identifizieren, an denen gearbeitet werden muss.
Kundenbindung und Markentreue
Markentreue ist eng mit den Einstellungen der Konsumenten gegenüber einer Marke verbunden. Unternehmen, die die emotionalen und kognitiven Komponenten ihrer Kunden richtig ansprechen, können stärkere Bindungen aufbauen. Wenn ein Konsument eine Marke sowohl kognitiv positiv bewertet (zum Beispiel gute Qualität, innovative Technologien) als auch emotionale Bindungen entwickelt (zum Beispiel das Gefühl, Teil einer exklusiven Gemeinschaft zu sein), wird die Wahrscheinlichkeit, dass er der Marke treu bleibt, erhöht.
Kritische Betrachtung des Fishbein-Modells
Obwohl das Fishbein-Modell in der Marktforschung und der Marketingstrategie weit verbreitet ist, gibt es auch kritische Stimmen. Das Modell geht davon aus, dass Entscheidungen auf rationalen Überlegungen und Bewertungen basieren, was in der Realität nicht immer zutrifft. Oftmals sind Konsumentscheidungen von irrationalen Faktoren wie spontanen Emotionen, sozialen Einflüssen oder unbewussten Vorlieben geprägt.
Zudem berücksichtigt das Modell nur die bewussten Überzeugungen und Bewertungen von Konsumenten. Unbewusste Einstellungen oder die Rolle von sozialen Normen und Gruppenzugehörigkeiten werden in der klassischen Version des Modells nicht erfasst, was seine Anwendbarkeit in komplexen Marktumfeldern einschränken könnte.

Samuel Altersberger ist Redakteur beim GewinnerMagazin. Vor seiner Arbeit beim DCF Verlag war er bereits sechs Jahre als freier Autor tätig und hat während dieser Zeit auch in der Marketing Branche gearbeitet.
