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SAP-Chef Klein warnt vor Überregulierung der Künstlichen Intelligenz in Europa
„Ich bin absolut gegen die Regulierung der Technologie. Es würde Europas Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen, wenn ich meine KI-Modelle hier nicht ausreichend testen kann“, sagte Klein im Interview mit der Financial Times während eines Besuchs im Silicon Valley. „Wenn wir die Datennutzung zur Entwicklung neuer KI in Europa überregulieren, während das in den USA noch erlaubt ist, geraten wir in einen massiven Nachteil.“
Kleins Stellungnahme erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Markt für Unternehmenssoftware stark verändert. Wettbewerber wie Salesforce und Oracle integrieren derzeit generative KI-Lösungen in ihre Produkte, um über Chatbots und KI-Agenten eine verbesserte Benutzererfahrung zu bieten. Doch viele Tech-Unternehmen stoßen in der EU auf Widerstände, insbesondere durch die neue KI-Verordnung (Artificial Intelligence Act) und den Digital Markets Act, die den Einsatz großer Sprachmodelle sowie die Nutzung bestimmter Daten einschränken.
Meta und Apple haben aufgrund dieser Regulierungen bereits beschlossen, einige ihrer KI-Produkte nicht in Europa zu lancieren. Gleichzeitig hat Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom kürzlich ein umstrittenes Gesetz zur Regulierung von KI-Modellen nach starkem Druck aus der Tech-Branche abgelehnt.
„Ich stehe in engem Austausch mit den Entscheidungsträgern in Europa. Als größter Softwareanbieter in der EU haben wir eine gewisse Stimme in diesen Diskussionen“, erklärte Klein. „Ich denke, es ist wichtig, den Einfluss von KI auf Unternehmen und Endnutzer zu regulieren, aber nicht die Technologie selbst. Reglementieren sollte man das Ergebnis, nicht den Prozess.“
SAP investiert derzeit jährlich zwei Milliarden Euro in KI, ein vergleichsweise kleiner Betrag im Vergleich zu den rund 100 Milliarden Dollar, die die amerikanischen Tech-Giganten in diesem Jahr investiert haben. Klein betonte jedoch, dass SAP nicht mit den US-Hyperscalern konkurrieren wolle und keine massiven Rechenzentren oder Forschungen an fortschrittlichen KI-Modellen benötige. Vielmehr setzt das Unternehmen auf spezialisierte Anwendungen wie den kürzlich eingeführten „Joule“-Chatbot, der Geschäftsprozesse analysieren und optimieren kann.
Um den Anschluss an die Technologieführer zu halten, plant SAP, seine Präsenz in den USA auszubauen und vermehrt US-Ingenieure an Standorten wie UCLA, Berkeley und Stanford anzusiedeln. Zusätzlich hat das Unternehmen in aufstrebende KI-Start-ups wie Anthropic und Cohere investiert.
Das Engagement in der Künstlichen Intelligenz markiert die jüngste Transformation des 51 Jahre alten Unternehmens. SAP hat sich in den letzten zehn Jahren von einem Lizenzanbieter hin zu einem Cloud-basierten Dienstleister entwickelt. Derzeit haben jedoch nur etwa ein Drittel der rund 400.000 SAP-Kunden auf die Cloud-Lösung umgestellt. Klein betonte jedoch, dass eine lange Warteliste bestehe und Kunden, die die Umstellung bereits vollzogen hätten, im Durchschnitt höhere Umsätze generierten.
Im zweiten Quartal 2023 stieg der Umsatz von SAP um 10 Prozent auf 8,29 Milliarden Euro, was vor allem auf die verstärkten Cloud-Verkäufe zurückzuführen ist. Unter Kleins Führung hat sich der Börsenwert von SAP nahezu verdoppelt, und mit einer Marktkapitalisierung von 242,4 Milliarden Euro ist SAP mittlerweile Europas viertgrößtes börsennotiertes Unternehmen. Im Vergleich zum langjährigen US-Konkurrenten Oracle bleibt SAP jedoch zurück, da der US-Konzern nahezu doppelt so groß ist.
Trotz dieser Erfolge hat Klein mit einer angespannten Stimmung im Unternehmen zu kämpfen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter deutschen Mitarbeitern zeigte, dass 51 Prozent bereit wären, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln, und nur 38 Prozent gaben an, volles Vertrauen in den Vorstand zu haben.
Im Januar kündigte Klein an, dass 8.000 der 110.000 Mitarbeiter von einem KI-fokussierten Restrukturierungsprogramm betroffen sein würden, diese Zahl wurde im Juli auf 10.000 erhöht. Nur 15 Prozent der befragten Mitarbeiter glauben, dass diese Umstrukturierung ihre Arbeitsbedingungen verbessert hat.
„Ohne unsere Investitionen in KI und deren interne Nutzung würde SAP nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben“, betonte Klein.