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EY versäumte frühzeitige Betrugserkennung bei NMC Health: 2,7 Mrd. USD Schadenersatz gefordert
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY wird in einem Rechtsstreit beschuldigt, bei der Untersuchung des britischen Krankenhausanbieters NMC Health jahrelang entscheidende Betrugsfälle übersehen zu haben. Administratoren fordern Schadensersatz in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar und argumentieren, dass eine Inspektion des general ledger („Hauptbuch“) den Betrug schnell hätte aufdecken können.
Laut einem Skelettargument für eine Verfahrensanhörung am Londoner High Court hätte EY den mutmaßlichen Betrug frühzeitig identifizieren können, wenn das Unternehmen Zugang zum general ledger gehabt hätte. Dieser grundlegende Schritt in der unabhängigen Prüfung wurde über sieben Jahre hinweg versäumt, obwohl EY den NMC-Audit bereits 2015 auf die „close monitoring status“-Liste gesetzt und 2018 in eine separate „worry list“ aufgenommen hatte. Trotz dieser internen Bedenken erteilte EY unqualifizierte Prüfungsberichte von der Börsennotierung 2012 bis zur finalen Jahresabschlusserstellung 2019.
EY weist die Vorwürfe zurück und erklärt, die Prüfungen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dennoch zeigt der Fall eine erhebliche Schwäche in den Auditprozessen großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf, die kritische finanzielle Daten nicht ausreichend überwachen. NMC Health geriet 2020 in Insolvenz, nachdem bekannt wurde, dass mehr als 4 Milliarden US-Dollar an Schulden in den Büchern verborgen waren – einer der größten Betrugsfälle bei einem börsennotierten Unternehmen in London.
Die Administratoren, vertreten durch Alvarez & Marsal, argumentieren weiter, dass EY auch die Bestätigungsprozesse für Bank- und Kreditkonten nicht ausreichend kontrolliert habe und NMC-Mitarbeiter in die Kommunikation mit den Banken eingriffen. Dies führte dazu, dass Milliarden von Dollar an Schulden nicht in den veröffentlichten Finanzberichten auftauchten.
Der Fall erinnert an ähnliche Vorwürfe gegen EY bei der Prüfung des gescheiterten deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Während der Wirtschaftsprüfer derzeit von der britischen Aufsichtsbehörde zusätzlich untersucht wird, wird der Prozess gegen EY von April bis Oktober nächsten Jahres erwartet, wobei EY eine Vertagung bis 2026 beantragt.