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Eurozone-Haushalte sparen mehr als US-Konsumenten: Divergenz hemmt Wachstum
Die Haushaltsersparnisse in der Eurozone erreichen ein dreijähriges Hoch von 15,7 Prozent im Juni, deutlich über dem vorpandemischen Durchschnitt von 12,3 Prozent, wie Eurostat am Freitag bekanntgab. Im Gegensatz dazu liegt die persönliche Sparquote der USA im zweiten Quartal bei 5,2 Prozent, unter dem 2010-19 Durchschnitt von 6,1 Prozent. Diese deutliche Divergenz unterstreicht die unterschiedlichen wirtschaftlichen Dynamiken auf beiden Seiten des Atlantiks.
Während in den USA die niedrige Sparquote den Konsum beflügelt und das Wirtschaftswachstum antreibt, zeigen europäische Haushalte aufgrund anhaltender wirtschaftlicher Unsicherheiten, insbesondere nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, eine ausgeprägte Vorsicht. Mark Zandi, Chefökonom bei Moody’s Analytics, erklärt: „Die niedrigere US-Sparquote hat den Konsum angekurbelt, der Haupttreiber des US-Wachstums, und ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die US-Wirtschaft schneller wächst als die europäische.“
Die Wirtschaftsprognosen spiegeln diese Unterschiede wider: Während das US-BIP für 2024 um 2,6 Prozent wächst, wird für die Eurozone ein Wachstum von nur 0,7 Prozent und für das Vereinigte Königreich 1,1 Prozent erwartet, laut aktueller OECD-Prognose. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die europäische Wirtschaft weiterhin schwächelt, unterstützt durch eine geringe Investitionsbereitschaft und anhaltende geopolitische Spannungen.
In den USA sorgt die robuste Sparquote von Haushalten für eine starke Nachfrage nach Konsumgütern, gestützt durch einen bullischen Aktienmarkt und hohe Immobilienpreise. Nathan Sheets, Chefökonom bei der US-Bank Citi, betont: „Die breitere Entwicklung der Bilanzen in den USA ist viel stärker, sodass US-Haushalte in einer Position sind, in der sie sich mit relativ niedrigen Ersparnissen wohlfühlen.“ Dies steht im krassen Gegensatz zu Europa, wo viele Hausbesitzer kürzere Hypotheken haben und daher mehr sparen, um steigende Zinsen für neue Kredite abzufedern.
Simon MacAdam, Ökonom bei Capital Economics, weist darauf hin, dass europäische Haushalte ihre Vermögensgewinne aus den Coronamonaten verloren haben und verstärkt in den Wohnungsmarkt investieren. „Die höheren Gehälter haben das Vertrauen und die Ausgaben noch nicht gestärkt“, sagt er. Zudem tragen die eskalierenden Konflikte im Nahen Osten zur anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheit bei, da Europa stärker von Energieimporten aus der Region abhängig ist.
Die Unsicherheiten und das zurückhaltende Verbraucherverhalten in der Eurozone haben direkte Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Samy Chaar, Chefökonom bei Lombard Odier, kommentiert: „Die Europäer sparen mehr, da sie sich wegen der nahen Kriegsgefahren und der schleppenden Wirtschaftsentwicklung in Deutschland unsicher über die Zukunft sind.“ Diese Haltung hemmt die wirtschaftliche Erholung und verstärkt die Differenz zum US-Markt.
Die OECD prognostiziert, dass die harmonisierten Haushaltsersparnisquoten in Deutschland und der Eurozone bis mindestens 2025 weiterhin über dem vorpandemischen Niveau bleiben werden, während sie in den USA sinken könnten. Diese anhaltende Divergenz könnte die globale wirtschaftliche Erholung bremsen und die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone im internationalen Vergleich beeinträchtigen.