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Großbritannien beendet nach 140 Jahren die Kohleverstromung und setzt auf saubere Energie
Großbritannien schließt das Kapitel Kohleverstromung: Am Montag ging das letzte Kohlekraftwerk des Landes im südwestlich von Nottingham gelegenen Ratcliffe-on-Soar zum letzten Mal in Betrieb. Nach über 140 Jahren endet damit die Ära der Kohle als Stromquelle im Vereinigten Königreich, das als erstes großes Industrieland vollständig aus der Kohleverstromung aussteigt. Die Regierung plant, Großbritannien zur „Supermacht für saubere Energie“ zu entwickeln.
Der Schritt kommt früher als ursprünglich geplant: Die konservative Regierung unter Boris Johnson hatte 2021 den Kohleausstieg um ein Jahr vorgezogen. Die sozialdemokratische Labour-Partei, die seit Juli die Regierung führt, sieht den Abschluss als Beginn einer neuen Ära im Energiesektor. „Die Kohlearbeiter können stolz darauf sein, unser Land mehr als ein Jahrhundert lang angetrieben zu haben“, sagte Energie-Staatssekretär Michael Shanks. „Doch jetzt startet eine neue Ära mit guten Arbeitsplätzen in Bereichen wie Windkraft und neuen Technologien wie CO₂-Abscheidung und -Speicherung.“
Der Umstieg auf erneuerbare Energien stärkt nach Ansicht der Regierung die Energiesicherheit und schützt die Bevölkerung vor den Preisschwankungen fossiler Brennstoffe. Bereits jetzt liegt der Anteil der Kohle am britischen Energiemix nur noch bei 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde fast der gesamte Strom im Land durch Kohleverbrennung erzeugt. Seit 1882, dem Jahr der Eröffnung des ersten Kohlekraftwerks in London, haben britische Kraftwerke laut Berechnungen des Klima-Portals „Carbon Brief“ insgesamt 4,6 Milliarden Tonnen Kohle verbrannt und damit 10,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO₂) ausgestoßen – mehr als die meisten anderen Länder jemals an CO₂-Emissionen produziert haben.
Der deutlich frühere Kohleausstieg Großbritanniens im Vergleich zu anderen Industrieländern – Deutschland plant den Ausstieg aktuell bis 2038 – wurde auch durch den kontinuierlichen Einsatz von Atomkraft ermöglicht. Deutschland hingegen hat den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorgezogen, bleibt jedoch in Teilen noch auf fossile Brennstoffe angewiesen.
„Wir sind bei der Kohle weit voraus“, kommentierte Chris Stark, der britische Klima-Regierungsberater, gegenüber der „Times“. „Weit voraus gegenüber anderen G7-Volkswirtschaften.“ Der CEO des Kraftwerkbetreibers Uniper, Michael Lewis, bezeichnete die Abschaltung des 1968 eröffneten Kraftwerks in Ratcliffe als „eine enorm große Sache – lokal, national und international“. Ein symbolischer Zug mit der letzten Lieferung von 1650 Tonnen Kohle erreichte das Werk im Juni.
Damit geht eine Ära der Kohleverstromung zu Ende, während das Vereinigte Königreich den Weg für eine neue, kohlenstoffärmere Zukunft ebnet.