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Indien öffnet seine Schranken: Autobranche steht vor historischem Wendepunkt im Zollregime


Indien erwägt, eines seiner am stärksten geschützten Märkte zu öffnen: den Automobilsektor. Mit Einfuhrzöllen von bis zu 110 % zählt das Land zu den abschottendsten Volkswirtschaften weltweit – doch nun steht eine Wende bevor. Im Vorfeld möglicher US-Sanktionen auf indische Exporte bereitet sich Neu-Delhi auf Zugeständnisse in Handelsgesprächen vor. Fahrzeuge spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Hintergrund ist der wachsende Druck aus Washington, das sich unter Präsident Donald Trump erneut als lautstarker Kritiker indischer Zollpolitik präsentiert. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern beträgt 87 Milliarden US-Dollar – für Neu-Delhi steht viel auf dem Spiel. Laut informierten Regierungsvertretern zeigt sich Indien bereit, Einfuhrzölle für importierte Fahrzeuge schrittweise über zehn Jahre zu senken – allerdings nur für Modelle über 50.000 US-Dollar, bei denen keine direkte lokale Konkurrenz existiert.
Die USA fordern dagegen einen Abbau innerhalb von vier Jahren, niedrigere Preisgrenzen und deutlich höhere Importkontingente – insbesondere für Elektrofahrzeuge. Diese Forderungen würden nicht nur Premiumanbieter wie Tesla den Weg ebnen, sondern könnten auch US-Massenmarktmarken zurück ins Spiel bringen. Aktuell importiert Indien nur rund 15.000 Fahrzeuge pro Jahr, davon etwa 1.000 aus den USA.
Tesla etwa sieht Indien als hochattraktiven Markt, verweigert bislang jedoch lokale Produktion. Die Einfuhrzölle verdoppeln den Preis eines Model 3. „Das verursacht Unmut“, sagte Finanzchef Vaibhav Taneja kürzlich. Viele indische Konsumenten schrecken vor diesen Aufschlägen zurück. Auch GM zog sich 2017 aus dem indischen Markt zurück – nicht aus mangelnder Nachfrage, sondern wegen mangelnder Rentabilität bei solchen Importhürden.
Auch europäische Hersteller, darunter Volkswagen und Renault, drängen auf bessere Marktbedingungen. Ein umfassendes Abkommen mit den USA könnte als Präzedenzfall für europäische Verhandlungen dienen – mit weitreichenden Folgen. Besonders heikel: Viele europäische Hersteller fertigen bereits in Indien, teils aus vollständig montierten Kits (CKD), und könnten bei einem Wegfall der Zölle rasch skalieren.
Gleichzeitig stehen einheimische Konzerne wie Tata Motors oder Mahindra unter Zugzwang. Sie haben milliardenschwere Investitionen in E-Mobilität angekündigt – getragen von der Annahme, dass Protektionismus bestehen bleibt. Ein abrupter Politikwechsel würde deren Planung unterminieren. Der frühere Handelsdiplomat Ajay Srivastava warnt: „Indien läuft Gefahr, zur Deponie globaler Überkapazitäten zu werden.“
Dabei setzt die Regierung selektive Grenzen. Chinesische Hersteller – insbesondere BYD – bleiben ausgeschlossen, offiziell aus Sicherheitsgründen. Die Marktanteilspläne des Elektroautopioniers in Indien wurden infolgedessen zurückgefahren. Handelsminister Piyush Goyal erteilte chinesischen Autoimporten kürzlich eine klare Absage.
Indiens protektionistische Automobilpolitik hatte über Jahrzehnte eine lokal verwurzelte Industrie geschaffen – mit Jobs, Zuliefernetzwerken und günstigen Einstiegspreisen für eine aufstrebende Mittelschicht. Doch der globale Trend zu entkoppelten Lieferketten und neuen Handelsblöcken zwingt das Land zur Neubewertung. Sollte Neu-Delhi den Schritt wagen, könnten die Tore zu einem Markt aufstoßen, der 2023 fast 4,3 Millionen Pkw verkaufte – mehr als Deutschland.
Die Stimmung im Land ist bereits spürbar im Wandel. In Neu-Delhi fährt Hridesh Baweja seit dem Ausfall seines Chevrolet Optra zwar wieder lokal – im Honda City und einem Mahindra-SUV. Doch wenn GM zurückkäme? „Ich würde sofort wieder einen Chevy kaufen“, sagt er.

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