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Politische Kraft gegen den Mainstream: Wie Impfzweifel in den USA und Europa an Einfluss gewinnen


Robert Kennedy Jr wird US-Gesundheitsminister – und sorgt mit einem angekündigten „Make America Healthy Again“-Ausschuss für Aufruhr. Nachdem er im US-Senat versichert hatte, die bestehende Impfagenda nicht anzutasten, rudert Kennedy nun offenbar zurück. Ab April will er alle medizinischen Programme auf den Prüfstand stellen, darunter ausgerechnet die jahrzehntealte Routineimpfung von Kindern gegen Diphtherie, Tetanus und Masern.
Für viele Beobachter ist das ein bedenkliches Signal. Bisher galt Impfskeptizismus, gepaart mit lautstarker Ablehnung der „Pharma-Eliten“, als Randphänomen. Doch inzwischen greift die Impfkritik tief in politische Strukturen ein. „Es zeigt, wie sich die Anti-Impf-Szene weit über Facebook-Gruppen hinaus etabliert“, warnt Infektionsforscher Adam Ratner, Autor des Buchs Booster Shots zur Wiederkehr der Masern. Besonders bedrohlich sei, dass diese Bewegung ihre Verschwörungserzählungen mit Kritik an Behörden und Regierungen verknüpft.
Kennedy vertritt seit Langem umstrittene Thesen zu möglichen „Impfrisiken“ und hat Covid-Impfstoffe als „gefährlichsten Impfstoff aller Zeiten“ bezeichnet. Obwohl er sich persönlich nicht als Impfgegner sieht, wecken seine Aussagen Befürchtungen, dass er die US-Impfinfrastruktur untergraben könnte. Tatsächlich zeigen Daten, dass die Impfquoten in einigen republikanisch regierten US-Bundesstaaten seit der Pandemie zurückgehen. Mehrere Politiker haben ihrerseits Gesetzesinitiativen gegen verpflichtende Impfungen angeschoben. „Wenn der oberste Gesundheitsbeamte solche Ansichten teilt, riskiert das Land womöglich künftige Krankheitsausbrüche“, mahnt Ashish Jha, Dekan der Brown University School of Public Health.
Auch jenseits des Atlantiks gewinnt Impfablehnung politische Tragweite. In Deutschland positionierte sich die AfD offen gegen staatliche Impfpflichten, was ihr laut Analysen neben Teilen der Querdenkerbewegung neue Wähler bescherte. Die Partei kam bei der jüngsten Bundestagswahl auf gut 20,8 Prozent, womit sie erstmals zweitstärkste Kraft wurde. Studien zufolge fachte das Thema „Gesundheitsdiktatur“ starke Emotionen an und trug zur Verankerung der rechtspopulistischen AfD bei. In anderen Ländern wie Rumänien reüssieren Impfgegner ebenfalls – sie verbinden ihr Narrativ häufig mit religiösen oder nationalistischen Botschaften.
Die Folgen zeigen sich schon im Alltag: Im vergangenen Jahr häuften sich in den USA Fälle von Kinderlähmung, Keuchhusten und Masern – Krankheiten, die einst als weitgehend ausgerottet galten. Ähnliches droht, wenn die „natürliche Impfmoral“ weiter bröckelt, warnt Wayne-State-Professor David Gorski. „Sehen wir die Eintrübung bei Standardimpfungen, bedeutet das letztlich mehr Tote, vor allem unter den Jüngsten.“
Zwar versucht Kennedy nach seiner Ernennung die Wogen zu glätten und betont, seine Kinder seien alle geimpft. Tatsächlich aber gilt Skeptikern wie ihm nun erneut die Aufmerksamkeit von Massen, die über Social Media einen Nährboden finden. „Wer Impfungen zu einem Freiheitsdogma erklärt, öffnet Tür und Tor für viele andere Verschwörungsmythen“, sagt Bret Schafer, Experte für digitale Desinformation. „Die politische Bedeutung dieser Bewegung wächst – und wir stehen womöglich erst am Anfang.“

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