Meinung
Alles total trivial?
In unserer Rubrik „Meinung“ beschäftigt sich Ruben Schäfer hin und wieder mit eigenartigen Eigenarten der Business-Welt. Heute geht es um Coaching-Atheisten – und seltsame Fragen.
Coaching kommt an – selbst der Deutschlandfunk hat das jetzt bemerkt. „Was steckt hinter dem Trend?“ fragen die Redakteure Karla Kenya und Dennis Kogel. Diese Frage beantworten sie zwar überhaupt nicht, dafür ist ihnen aufgefallen, dass jeder fünfte Podcast in den deutschen I-Tunes-Charts bereits Coaching-Themen behandelt. Diese Situation repräsentiert die aktuelle deutsche Medienlandschaft ganz ausgezeichnet – alle merken, da ist was, verstehen kann es aber keiner.
„Coaching kann man nicht anfassen“
Im Gespräch mit zahlreichen Journalisten über das vergangene Jahr kamen immer wieder die gleichen Fragen auf: Sind die Coachinginhalte nicht trivial? Überall im Netz auch gratis zu finden? Gesunder Menschenverstand gar? Mitnichten. Denn um Inhalte geht es eigentlich gar nicht.
Jeder, der studiert hat, weiß es: Zu allen Vorlesungen gibt es auch passende Wikipedia-Artikel. Oder einen Youtube-Kanal, der das alles noch viel besser erklärt als der Professor in der Uni. Aber während der Mensch im Internet mit einer Masse an hochdosiertem Wissen abgefüllt wird, hat der Prof wenigstens einen Plan, welche Inhalte Sinn machen und wie sie aufeinander aufbauen (hoffentlich zumindest). Im Internet gibt es keinen roten Faden – es ist eher ein riesiger Haufen bunter Wolle.
„Umsatz kommt – wer hätte es gedacht – von umsetzen“
Jetzt mag der eine oder andere antworten, dann seien doch gute Lehrbücher oder Kurse das Richtige, um zum Ziel zu kommen. Aber ohne Prüfung, ohne jemanden, der den Lernfortschritt überwacht, klappt auch das meist nicht.
Und dann gibt es ja noch so zwischenmenschliche Aspekte, die überhaupt keiner auf dem Schirm hat: Wenn ich ein hochpreisiges Erfolgscoaching für junge Menschen anbiete und dort einem 27-Jährigen rate, von zu Hause auszuziehen, dann ist das möglicherweise eine ziemlich teure Plattitüde. Das wusste er bestimmt auch vorher schon. Nur: Wenn er es jetzt endlich umsetzt, weil er mir als Coach vertraut und damit dann sein Leben verbessert – dann ist mein Job doch voll erfüllt! Oder?
Dazu fällt mir eine Geschichte aus meiner Familie ein. Meine Mutter hat sich 25 Jahre erfolgreich dagegen gewehrt, mit dem Rauchen aufzuhören. Gute Gründe gab es genug: uns Kinder, hohe Zigarettenpreise, gesundheitliche Schwierigkeiten, Gestank, und so weiter, wissen wir alle, wusste sie auch. Als sie mir vor einem Jahr berichtete, zu einer „Anti-Rauch-Hypnose“ zu gehen, war ich eher belustigt: „Haha Mutter, also so im Schneidersitz mit Pendel vor der Nase zu Delfingesang summend dem Rauchen entfolgen, ja mach mal, viel Spaß lol. Seit einem Jahr raucht sie nicht mehr.
Um also die Frage der Kollegen vom Anfang zu beantworten: Hinter dem Trend steckt die Einsicht vieler Menschen, dass eine Information gar nichts bringt, wenn ich sie nicht einordnen kann. Die Suche nach einem roten Faden also. Und die Erkenntnis, dass manche Dinge funktionieren – warum, verstehe ich manchmal auch nicht.
Chefredakteur des GEWINNERmagazins, PR-Experte und Gesicht hinter den Content und Blog-Strategien von internationalen Konzernen und erfolgreichen Unternehmern aus ganz Deutschland. Mehr unter rubenschaefer.de