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© Celine Nadolny

Meinung

Buchtipp: „WHAT WORKS ON WALL STREET“ – eines der wertvollsten Börsenbücher

WHAT WORKS ON WALL STREET von James P. O’Shaughnessy ist meiner Meinung nach eines der wertvollsten Börsenbücher, die ich jemals in den Händen halten durfte. Natürlich möchte ich damit Warren Buffett nicht grundsätzlich widersprechen. INTELLIGENT INVESTIEREN von Benjamin Graham ist zweifelsohne eines der besten, wenn nicht sogar das beste Finanzbuch aller Zeiten. Dennoch bietet James P. O’Shaughnessy mit einer Mischung aus Wissenschaft und Praxis einen mechanischen Value-Investing Ansatz, der funktionieren kann. Und nicht nur das: Er ist im Grunde auch für viele private Investoren umsetzbar. Auf knapp 700 großformatigen Seiten können die Leser:innen erfahren, wie ein erfolgreicher Fondsmanager seine mechanische Anlagestrategie aufbaut.

Aus der Ferne könnte man meinen, dass der Autor mit 700 Seiten ein Problem damit hätte, sich kurz zu fassen. Das ist allerdings nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: James P. O’Shaughnessy könnte mit seinem angewandten und getesteten Wissen wohlmöglich ganze Bibliotheken mit Finanzthemen füllen. Dieses Buch komprimiert einige wenige seiner Ansätze bereits bestmöglich und liefert nicht nur schier endlose Zeitreihen und empirische Untersuchungen. Vielmehr begleitet es durch den Optimierungsprozess einer solchen quantitativen Value-Strategie. Der Autor behauptet demnach nicht nur, dass es funktionieren kann, sondern belegt es zeitgleich mit seinen Untersuchungen, die wissenschaftlich fundiert erscheinen. Es sind keine oberflächlichen Zeitreihen in Säulen- und Liniendiagrammen, wie man sie in vielen anderen Publikationen findet. Es sind detaillierte Tabellen mit diversen Kennzahlen, Zeitverläufen und Quervergleichen.

„We continue to advise that investors remain committed to a patient, long-term outlook and that the best way to do well in stocks is to use a disciplined, time-tested strategy that has the benefit of empirically tested results over a variety of market enviroments.“ James P. O’Shaughnessy

Ein inhaltlich und schematisch ansprechendes Buch

Auf diesem Weg lernen wir nicht nur viel über die Einflüsse der Behavioral Finance, deren Vordenker Daniel Kahnemann ebenfalls ein grandioses Buch geschrieben hat. Mit SCHNELLES DENKEN LANGSAMES DENKEN sollte jeder ambitionierte Investor vertraut sein. Für seine Arbeit hat Daniel Kahnemann auch meiner Meinung nach zu Recht den Nobelpreis erhalten. James P. O’Shaughnessy erklärt uns in diesem Buch aber auch eine ganze Reihe von weiteren Themen, über die wir beim Aufbau seiner Strategie stolpern. So werden etliche Kennzahlen für uns aufgearbeitet, damit wir sie verstehen, interpretieren und anwenden können und deren Wirkung wissenschaftlich belegt. So kann man sagen, dass es einfach inhaltlich und schematisch nichts an diesem Buch auszusetzen gibt. Lediglich eine aktualisierte Auflage würde ich mir unglaublich gerne wünschen.

„Fear, greed and hope have destroyed more portfolio value than any recession or depression weh ave ever been through.“ James P. O’Shaughnessy

Ein durchschlagender Effekt für erfahrene Börsianer

Das Buch ist aber definitiv nichts für Jedermann und ich bin mir auch der Kritik aus dem Buch INTELLIGENT INVESTIEREN am vorgestellten Ansatz des Autors bewusst. Zunächst einmal muss ich aber an dieser Stelle beim ein oder anderen die Euphorie ein wenig bremsen. Denn dieses Stück Geschichte der Finanzliteratur ist rein gar nichts für Anfänger im Bereich des aktiven Investierens. Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich nur für sehr erfahrene und versierte Börsianer eignet. Diese sollten zudem im Idealfall auch einen wissenschaftlichen Hintergrund haben und verstehen, warum der Autor seinen Ansatz gewählt hat.

Der Umgang mit großen Mengen an Daten und statistischen Auswertungen sollte ebenfalls reibungslos von statten gehen. Denn ansonsten sind viele der Inhalte schlichtweg „nice to know“. Sie werden aber keinen durchschlagenden Effekt auf die Performance der aktiven Anleger haben oder erst gar nicht umsetzbar sein.

Eine mechanisch filter- und abbildbare Value-Strategie

Dazu solltest du verstehen, dass der Autor versucht, diverse Kennzahlen sinnvoll miteinander zu verbinden, um daraus eine mechanisch filter- und abbildbare Value-Strategie zusammenzusetzen. Diese Kennzahlen werden zunächst einzeln und später zusammengesetzt wissenschaftlich im Backtesting untersucht und aneinander gespiegelt. Ohne fundiertes Wissen im Bereich der Unternehmenskennzahlen könnte das blutige Anfänger ganz schön überfordern. Wer sich in diesem Bereich weiter einlesen möchte, findet bei Nicolas Schmidlin und seinem Werk UNTERNEHMENSBEWERTUNG & KENNZAHLENANALYSE eine gute erste Anlaufstelle.

Wann macht das Buch für mich Sinn? 

Zudem ist dieses Buch lediglich noch gebraucht in englischer Sprache zu vernünftigen Konditionen erhältlich. Auf Deutsch wird man beim Kauf einen dreistelligen Betrag für ein knapp 20 Jahre altes gebrauchtes Buch aufbringen müssen. Das macht es aber umso schwerer, solche Inhalte und die Thematik auch noch auf Englisch zu durchsteigen. Darüber hinaus macht es ebenfalls keinen Sinn, dieses Buch durchzuarbeiten, wenn man nicht bereits über ein kleines Vermögen verfügt. Sonst sind die Transaktions- und vor allem die Opportunitätskosten bei der Umsetzung schlicht zu groß. Viele aktive Investoren unterschätzen vor allem in jungen Jahren die Opportunitätskosten.

Wenn ein höheres Vermögen die Zielsetzung ist, dann ist es in den meisten Fällen sinnvoller, zunächst in sich selbst zu investieren. Nur so kann man die eigenen Fähigkeiten und das Einkommen deutlich steigern und darüber höhere Sparraten ermöglichen, anstatt sich über die letzten paar Prozentpunkte den Kopf zu zerbrechen. Die Opportunitätskosten stünden bei all den vorgestellten Strategien von James P. O’Shaughnessy ansonsten in einem Missverhältnis zur erwarteten Rendite. Zur Umsetzung wird nämlich nicht nur Geld und Wissen benötigt, sondern auch eine ausreichend große, aktuelle und vor allem verlässliche Finanzmarktdatenbank. Diese würde dann das Fundament für die mechanische Filterung darstellen.

Wer aber all das bereits mitbringt, dem wird dieses Buch extrem gut gefallen. Denn dann hält man einen möglichen Ansatz in den Händen, aus dem eigenen Vermögen und dem eigenen Wissen die passende Rendite herauszuholen. Zweifellos ist dies ein kleiner Meilenstein der internationalen Finanzliteratur.

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Seit sie denken kann liest Celine Nadolny alles, was sie zwischen die Finger kriegen kann. Noch während ihres dualen Studiums zum B.A. in Business Administration machte sie sich als mittlerweile Deutschlands einflussreichste Sachbuchkritikerin selbständig, wurde dafür dutzendfach prämiert und steht auf der Forbes 30-Under-30 Liste. Für das GEWINNERmagazin checkt die Jungunternehmerin regelmäßig neue Bücher in den Bereichen Finanzen, Erfolg und Steuern.

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