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Kanzlerwahl mit Makel: Friedrich Merz startet angeschlagen in sein Amt


Friedrich Merz ist zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik gewählt – allerdings erst im zweiten Anlauf. In einer historischen Panne scheiterte der CDU-Vorsitzende am Montagmorgen im Bundestag an der erforderlichen absoluten Mehrheit. Trotz einer rechnerischen Mehrheit von 328 Sitzen in der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verfehlte Merz im ersten Wahlgang die Marke von 316 Stimmen um sechs Stimmen.
Der Vorfall markiert ein Novum in der 80-jährigen Geschichte der Bundesrepublik: Noch nie war ein Kanzlerkandidat bei der ersten Abstimmung gescheitert. Beobachter wie die Politologin Andrea Römmele sprachen von einem „absolut historischen“ Vorgang, der die Fragilität des neuen Regierungsbündnisses offenlege.
Wenige Stunden später gelang die Wahl im zweiten Durchgang – die Koalition hatte in intensiven Gesprächen offenbar genug Dissidenten überzeugt oder zum Rückzug bewegt. Doch der Imageschaden war da. Ein Regierungschef, der auf Anhieb nicht das Vertrauen seiner eigenen Mehrheit erhält, startet mit beschädigter Autorität. Der geplante Machtwechsel verlief damit holprig: Kabinettszeremonien wurden verschoben, die geplante Paris-Reise zu Emmanuel Macron stand zwischenzeitlich auf der Kippe.
Hinter den Kulissen begannen sofort Schuldzuweisungen. Aus Kreisen der CDU hieß es, unzufriedene SPD-Abgeordnete hätten ihren Unmut über Klingbeils Kabinettsumbau zum Ausdruck gebracht. Umgekehrt verwiesen Sozialdemokraten auf interne Irritationen innerhalb der Union – insbesondere über Merz’ überraschenden Schwenk beim Thema Schuldenbremse und das angekündigte 1-Billion-Euro-Investitionsprogramm.
Merz selbst wird nun als Kanzler mit extrem schmaler parlamentarischer Basis agieren. Schon eine Handvoll Abweichler kann künftige Gesetzesvorhaben blockieren. Die eigentliche Herausforderung liegt damit weniger im politischen Gegner als in der eigenen Koalition. Gerade mit Blick auf seine angekündigten Strukturreformen der deutschen Wirtschaft und sein ambitioniertes Investitionspaket ist der Rückhalt im Parlament keine Selbstverständlichkeit.
Zudem steht Merz außenpolitisch unter Druck: Die USA unter Donald Trump drohen mit Strafzöllen auf europäische Produkte, was die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiter schwächen könnte. Innenpolitisch sieht sich die neue Koalition als Bollwerk gegen die AfD, die bei der letzten Wahl über 20 Prozent erzielte und inzwischen auf Augenhöhe mit der Union liegt.
Trotz aller Brisanz mahnten einige Experten zur Gelassenheit. Auch Konrad Adenauer 1949 und Helmut Kohl 1994 hatten nur denkbar knappe Mehrheiten bei ihrer ersten Wahl. Entscheidend sei, was Merz aus seinem Mandat mache, sagte HEC-Professor Armin Steinbach. „Vorausgesetzt, seine Regierung liefert, wird sich an dieses holprige Startkapitel bald niemand mehr erinnern.“

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